Luftseilbahn (Flims-) Alp Naraus - Cassonsgrat, BBF

 

Gemessen an der Bausubstanz handelte es sich bei dieser Bergbahn um die älteste, eidgenössisch konzessionierte Pendel-Luftseilbahn in der Schweiz!

Infolge auslaufender Betriebsbewilligung wurde der Betrieb der Cassons-Bahn am 25. Oktober 2015 eingestellt! Abbruch der Anlagen im Jahr 2016!

Im Bündner Oberland, am Fuss der Dreitausenderkette Piz Vorab - Piz Segnes, liegt auf einer weit offenen Sonnenterrasse der Kurort Flims, der schon früh für den Sommer- wie auch für den Wintertourismus entdeckt wurde. Im Jahre 1931 gründete man hier die erste schweizerische Skischule und 1939 nahm die erste mechanische Aufstiegshilfe für Skifahrer in Form eines Motorschlittenzuges ihren Betrieb auf. Ein Meilenstein in der Geschichte der touristischen Transporteinrichtungen war die Eröffnung der ersten kuppelbaren Sesselbahn der Welt im Jahre 1945, die von Flims Dorf nach Foppa führte. Ein Jahr später wurde diese Bahn durch eine zweite Sektion bis zur Alp Naraus erweitert und schon bald kam auch der Wunsch nach einer Fortsetzung bis zum Cassonsgrat auf. Im Jahre 1954 lag ein bereinigtes Projekt für eine Luftseilbahn vor, welches von der Bürgerversammlung gutgeheissen wurde und so konnte am 21. Januar 1955 von der politischen Gemeinde die Baubewilligung erteilt werden. Ursprünglich war geplant, aus Kostengründen die Luftseilbahn vorerst nur mit einer Fahrbahn und einer Kabine zu erstellen, worauf aber der Verwaltungsrat nach eingehenden Studien zusammen mit der Firma Von Roll und dem Bundesamt für Verkehr verzichtete. Baubeginn an der Luftseilbahn Naraus-Cassonsgrat war am 27. Juni 1955. Zufolge schlechten Wetters kamen die Arbeiten nur schleppend voran und Mitte Dezember mussten sie ganz eingestellt werden. Im darauffolgenden Jahr konnten am 26. Oktober die Eröffnungsfeierlichkeiten trotz heftigem Schneetreiben und dichtem Nebel stattfinden.

In der Nacht vom 13. auf den 14. Dezember 1973 ereilte das Wintersportgebiet von Flims ein besonderer Schiksalsschlag: Durch ein Grossfeuer, dessen Ursache nie genau ermittelt werden konnte, wurden die Bergstation der Sesselbahn und das Restaurant auf Naraus vollständig zerstört. Nur Dank des in jener Nacht herrschenden Ostwindes blieb die Talstation der Luftseilbahn, die sich wenige Meter neben der Sesselbahnstation befindet, verschont. Nach einem provisorischen Wiederaufbau konnte der Betrieb der Sesselbahn bereits am 18. Februar 1974 wieder aufgenommen werden. Die darauffolgende Sommersaison stand ganz im Zeichen des definitiven Wiederaufbaues auf Naraus, so dass die Anlagen -inkl. Luftseilbahn- dem Publikum während dieser Zeit nicht zur Verfügung standen. Diese Zwangspause wurde dazu benutzt, eine Generalrevision an der Luftseilbahn durchzuführen. Die wichtigste Änderung war wohl der Umbau der beiden Kabinen. Die Carrosseriewerke in Aarburg (CWA) statteten die Kabinen, die ursprünglich von der SIG in Neuhausen gebaut wurden, mit neuen, abgeschrägten Stirnwänden aus, was die Grundfläche etwas vergrösserte, so dass statt der 23 Personen nunmehr deren 27 befördert werden konnten. Ausserdem wurden die Laufwerke bei Von Roll in Bern einer Verjüngungskur unterzogen und der elektrische Teil im Maschinenraum wurde von der Firma BBC in Baden gründlich überholt. Selbstverständlich wird die Bahnanlage auch heute noch immer den neuesten Sicherheitsbestimmungen und Vorschriften angepasst; trotzdem präsentiert sie sich den Fahrgästen noch beinahe wie zu ihrer Eröffnung im Jahre 1956!

Mittlerweile ist auch der Schweizer Heimatschutz auf diese Bergbahn aus der Zeit des Aufschwungs aufmerksam geworden, weshalb sie auch in der neusten Broschüre mit dem Titel "Die schönsten Verkehrsmittel der Schweiz" gewürdigt wird. Und das zu Recht, denn heutzutage sind Seilbahnen aus den Nachkriegsjahren mit soviel originaler Bausubstanz selten geworden. Kommt dazu, dass die Luftseilbahn Naraus-Cassons, die durch die ästhetisch hochwertige Ausführung der Bauten, ihre der Landschaft angemessene Massstäblichkeit und die gelungene Einbettung in die Natur überzeugt, einen einzigartigen Aussichtspunkt erschliesst, von wo man einen sagenhaften Ausblick auf die meisten Bündner Gipfel von Rang und Namen hat. Alles in allem also ein Verkehrsdenkmal erster Güte, das nicht nur Mittel zum Zweck, sondern allein für sich schon eine Reise wert ist!

In der Zwischenzeit wurde der Verein "Pro Flims Cassons" gegründet mit dem Zweck abzuklären, wie und in welcher Form die Bahnen Foppa-Naraus und Naraus-Cassons weiterbetrieben werden können, da das von der "Weisse Arena Gruppe" favorisierte Y-Neubauprojekt auf Widerstand seitens der Flimser Bevölkerung stösst. Im Fokus steht dabei die Cassons-Luftseilbahn aus dem Jahre 1956, bei der entweder eine Sanierung oder ein Neubau zur Diskussion steht. Dem Verein geht es aber vor allem um den Erhalt des touristischen Angebotes im Gebiet Naraus-Cassonsgrat, und erst in zweiter Linie um denkmalschützerische Überlegungen betreffend der alten Luftseilbahn. Leider hat sich die Weisse Arena Gruppe nun durchgesetzt: Der Entscheid, den Betrieb am Cassonsgrat definitiv einzustellen und die historische Bahn abzubrechen, reisst ein grosses Loch in die Angebote des Flimser Sommertourismus! Nicht nur ist das Unesco-Weltnaturerbe "Glarner Hauptüberschiebung" mit dem berühmten Martinsloch in Zukunft nicht mehr erschlossen, sondern es geht einmal mehr auch ein historisches Verkehrsmittel aus der Zeit des touristischen Aufschwungs und ein Zeugnis schweizerischer Ingenjeurskunst verloren!

Link zum Verein "Pro Flims Cassons": http://www.flims-cassons.ch

Technische Daten der Luftseilbahn Naraus-Cassonsgrat:

 Inbetriebnahme  26. 10. 1956
 Ausserbetriebsetzung
 25. 10. 2015
 Erbaut durch  Von Roll, Werk Bern
 Fahrbahnlänge  2193 m
 Höhe Talstation  1846 m.ü.M.
 Höhe Bergstation  2644 m.ü.M.
 Höhendifferenz  798 m
 Grösste Neigung  50.0 %
 Grösste Spannweite  1091 m
 Anzahl Zwischenstützen  4
 Höchste Stütze  33 m
 ø Tragseile  39 mm
 ø Zugseil  24 mm
 ø Gegenseil  25 mm
 Kabinen  2 à 26+1 Pers., von SIG (Umbau CWA)
 Kabinenleergewicht  1150 kg
 Fahrgeschwindigkeit  6 m/sec.
 Motorleistung max.  120 kW (160 PS)
 Förderleistung  220 Pers./h

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Abb.1-3: Die Talstation auf Alp Naraus. Mit seinem Holzaufbau orientiert sich das einfache und zweckmässige, aber trotzdem qualitätsvolle Gebäude an der traditionellen Machart landwirtschaftlicher Nutzbauten. Speziell erwähnenswert und für Pendelbahnen wohl einzigartig ist der Ausgang über die Vorderseite der offenen Kabinenhalle. Abb.4: Firmenschilder in der Kabinenhalle. Abb.5-7: Blick in den Maschinenraum in der Talstation. Im Folgenden ist zu erkennen: Rot der Gleichstrom-Antriebsmotor, blau die Betriebsbremse, grün das Reduktionsgetriebe und gelb die grosse Antriebsscheibe mit der auf der gleichen Welle sitzenden kleineren Bremsscheibe für die Sicherheitsbremse. Die Keilriemen führen über eine Kupplung zur Welle des Notantriebes.

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Abb. 8: Als Notantrieb dient hier ein Ford-Benzinmotor. Fällt der elektrische Antriebsmotor infolge eines Stromausfalls oder eines Defektes aus, können damit die Kabinen mit reduzierter Geschwindigkeit in die Stationen gefahren werden. Abb.9: Die Ward-Leonard-Umformergruppe wandelt den Dreiphasen-Wechselstrom des Ortsnetzes in einen regelbaren Gleichstrom um, womit eine stufenlose Beschleunigung und Verzögerung des Bahnantriebes ermöglicht wird. Abb.10: Die beiden Tragseilspanngewichte in der Talstation. Während der Fahrt bewegen sich die Gewichte durch die wechselnden Seilbelastungen auf- und abwärts. Abb.11: Das Stahlskelett im Innern des Holzaufbaus trägt die Umlenkscheiben für die Tragseil-Spannseile und für das Zugseil, das übers Kreuz zur Antriebsscheibe geführt wird. Rechts oben ist eine Messvorrichtung zu erkennen, die die Seilgeschwindigkeit auf induktivem Weg misst. Abb.12: "Modernes" Kommandopult für die Steuerung und Überwachung der Luftseilbahn. Über dem Kommandopult das Kopierwerk, auf dem gelb die Stützen und rot die momentane Lage der Kabinen auf der Strecke abzulesen sind.

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Abb.13-15: Auf dem ersten Streckenabschnitt zwischen der Talstation und Stütze Nr.1. Abb.16: Blick südwärts auf die Umsteigestation Naraus. Links die Talstation der Luftseilbahn zum Cassonsgrat, rechts die Bergstation der Sesselbahn Foppa-Naraus. Abb.17-20: Stütze Nr.1 kurz nach der Talstation. Typisch für Von Roll-Luftseilbahnen der 50er-Jahre ist die oft angewendete Dreibein-Bauweise der Stützen. 

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Abb.21: Fundament der Stütze 1 mit Blick gegen Mast Nr. 2 und die abfallende Wand des Flimsersteins. Abb.22: Ansicht gegen Westen mit dem Crap Masegn im Hintergrund. Abb.23: Eine Kabine im Spannfeld zwischen Mast 1 und 2. Im Vordergrund sind die Überreste der einstigen Bergstation der alten Sesselbahn Foppa-Naraus von 1947 zu erkennen. Nach dem Bau der Cassons-Luftseilbahn wurde die Bergstation weiter talwärts an den heutigen Standort verlegt. Abb.24: Auch Mast Nr. 2 steht auf nur drei Fundamenten; die Abstützung erfolgt hier jedoch seitlich gegen den Hang. Abb.25: Eine Kabine schwebt der Felswand des Flimsersteins entlang. Abb.26: Auf halber Strecke schweift unser Blick südwärts gegen die Signina-Gruppe. Abb.27: Auf unserer Bergfahrt werden in kurzer Folge die Stützen Nr. 3 und Nr. 4 passiert.

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Abb.28+29: Deutlich zu sehen ist hier die rechtwinklige Anordnung der Stütze Nr.3 zur Seillinie, wiederum in Dreibein-Ausfürung. Abb.30: Luftseilbahn am Flimserstein mit dem Panorama gegen Süden. Die Kabine Nr. 2 befindet sich im Spannfeld zwischen den Masten 3 und 4. Abb.31+32: Der Mast Nr. 4 in konventioneller Bauweise ruht auf vier Fundamenten. Abb.33: Detailaufnahme eines Tragseilsattels mit Rollenbatterie für das Zugseil an der Stütze 4. Abb.34: Kabine bei Mast 4 mit dem Panorama gegen Südwesten. Abb.35: Blick von Mast 4 gegen die Bergstation. Dieser letzte Streckenabschnitt überspannt einen Felseinschnitt. 

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Abb.36: Eine Kabine strebt der Bergstation entgegen, von der Stationsplattform aus mit dem Teleobjektiv aufgenommen. Abb.37: Vom Cassonsgrat aus geniesst man ein überwältigendes Panorama, hier der Ausblick gegen Südwesten. Abb.38: Eine Kabine mit den Brigelser Hörnern (links) und dem Tödi (rechts). Dazwischen hinter der Kabine versteckt liegt der Bifertenstock. Abb.39: Nochmals das Panorama des Cassonsgrates, diesmal gegen Südosten gesehen. Abb.40, 41+43: Die Bergstation auf dem Cassonsgrat. Hier sind die Tragseile an Pollern fest verankert, während das Gegenseil um eine Umlenkscheibe läuft, die durch ein Spanngewicht belastet ist. Das an die Bergstation angebaute Restaurant wurde erst nach der Betriebsaufnahme der Bahn erstellt. Abb.42: Kabine Nr. 2 während der Einfahrt in die Bergstation. 

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Abb.44+45: Die Kabinen wurden ursprünglich von der SIG Neuhausen mit senkrechten Stirnwänden gebaut; die "moderne" Formgebung erhielten die Gondeln erst bei ihrem Umbau im Jahre 1974 durch die Firma CWA. Abb.46: Das achtrollige Kabinenlaufwerk mit der Fangbremse in der Mitte. Abb.47: Umständlich war die Anlieferung der Kabinen während des Bahnbaus: Von Flims bis Foppa konnten sie noch auf einem LKW transportiert werden, für den weiteren Abschnitt bis zur Talstation auf Alp Naraus musste dann aber die bestehende Sesselbahn herhalten. Abb.48: Dieses Foto aus der Anfangszeit der Luftseilbahn zeigt das ursprüngliche Erscheinungsbild der Kabinen. Praktisch unverändert geblieben sind Laufwerk und Gehänge.

Fotos 1 - 46: C. Gentil; Bild 47: aus "Flimser Winter Chronik", 1980, Bild 48: Sammlung C. Gentil.

Infos zu den Bergbahnen Flims/Laax: http://www.alpenarena.ch/


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