Sesselbahn Oberdorf - Weissenstein



Betrieb am 1. November 2009 eingestellt. Alle Rettungsversuche gescheitert, Sesselbahn abgebrochen!



"Unter allen Bergen im Schweizerlande, welche schöne Aussichten aus bequemer Wohnung darbieten, steht der Weissenstein oben an, oder doch dem höhern, freier und auf klassischem Boden ruhenden Rigi zunächst. Aber ein solch vollendetes, malerisches Bild, so lieblich an den Seiten verlaufend, durch einen so erhabenen Hintergrund begränzt, so grossartig abgeschlossen, prangt der Weissenstein einzig."
Diese Umschreibung des Weissensteins verfasste in den Dreissigerjahren des 19. Jahrhunderts der Solothurner Arzt und Kantonsphysiker Dr. J. C. Kottmann (1776-1851), der sich sehr intensiv mit der Geschichte, der Geologie, der Botanik, des Klimas und der Bewirtschaftung des Weissensteins auseinandersetzte. Bekannt wurde Dr. Kottmann zudem durch seine Milch- und Molkenkuren nach Appenzeller Vorbild, was dem Weissenstein einen regen Fremdenverkehr bescherte. Auch die Gründung des Kurhauses im Jahre 1826 hatte ihren Ursprung im frühen Kurbetrieb und ging auf eine Initiative Kottmanns zurück.
Der Weissenstein liegt auf der ersten Jurakette ob Solothurn, 1287 Meter über Meer. Von dieser Höhe aus breitet sich ein Grossteil des schweizerischen Mittellandes aus, begrenzt durch die Alpenkette vom Säntis im Osten bis zum Mont Blanc im Westen. Ein derart grossartiges Panorama erfreute natürlich nicht nur die Kurgäste, sondern auch schon früh Naturliebhaber, Wanderer und Sommerfrischler aller Art. Ein weit gereister Ausländer soll angesichts des überwältigenden Panoramas einmal gesagt haben: "Der schönste Punkt der Welt."

Aufgrund der stetig wachsenden Popularität des Ausflugsziels Weissenstein entstanden immer wieder Projekte für eine bequeme mechanische Erschliessung des begehrten Naherholungsgebietes, die aber aus den verschiedensten Gründen nicht realisiert werden konnten. Erste Konzessionsgesuche wurden 1904 für eine elektrische Drahtseilbahn und für eine Zahnradbahn mit Dampftraktion eingereicht. Ein nächstes Projekt kam 1911 auf den Tisch: Die Firma Robert Aebi u. Co. aus Zürich wollte in Zusammenarbeit mit der bekannten Seilbahnfirma Bleichert aus Leipzig (D) eine Schwebebahn auf den Weissenstein bauen die in der Lage gewesen wäre, 40 Personen in der Stunde auf den Berg zu befördern.
Im Jahre 1929 reichte ein Baumeister Lüthi aus Solothurn ein Konzessionsgesuch für einen elektrisch betriebenen Personen- und Güteraufzug ein, dessen Ausgangsstation in der Mitte des Weissenstein-Eisenbahntunnels der SMB (Solothurn Münster Bahn, heute BLS) vorgesehen war. Von dieser Tunnelstation aus hätte man einen ca. 500 Meter hohen, senkrechten Schacht gegraben, der in der Gegend des Hinter-Weissensteins aus der Erdoberfläche in die zu erstellende Bergstation mit dem Aufzugswindwerk münden sollte. Die Anlage mit zwei im Pendelverkehr auf- und abfahrenden Liftkabinen à 30 Personen hätte es auf eine Stundenleistung von 180 Personen gebracht. Nicht nur die Förderleistung wäre für die damalige Zeit relativ hoch gewesen, sondern auch die veranschlagten Kosten: Die 1,4 Mio. Franken dürften für das Scheitern des ehrgeizigen Projektes mit verantwortlich gewesen sein.
Ein realistischeres Projekt kam 1934 von einem Initiativkomitee, das im Auftrag des Verwaltungsrates der SMB handelte. Das Vorhaben stellte eine Standseilbahn oder eine Luftseilbahn zur Auswahl, wobei beide Bahnvarianten die Station Oberdorf der SMB als Ausgangspunkt hatten. Die Standseilbahn wäre via Gartenmatt und die Luftseilbahn geradlinig zum Weissenstein geführt worden. Den höheren Kosten von 1,3 Mio. Franken für die Standseilbahn standen 350 Personen Stundenleistung gegenüber, während für die Luftseilbahn eine Förderleistung von 180-190 Personen pro Stunde und Baukosten von 1,1 Mio. Franken berechnet wurden. Der technische Ausschuss konnte sich in der Folge weder für das eine noch das andere der beiden Systeme entscheiden, sondern lediglich auf die jeweiligen Vor- oder Nachteile hinweisen, weshalb auch dieses Projekt in den Schubladen verschwand.

Erst nach dem Krieg ab dem Jahr 1946 wurden die Projektierungsarbeiten für eine Bergbahn auf den Weissenstein durch die solothurnische Verkehrsvereinigung und den Kantonsgeometer Robert Strüby wieder aufgenommen, wobei gleich mehrere Streckenvarianten und Bahnsysteme evaluiert wurden. Zur Diskussion standen für die Talstation mögliche Standorte bei den SMB-Bahnhöfen Oberdorf und Gänsbrunnen, in Oberdorf Dorfmitte, in Solothurn und oberhalb von Rüttenen. Für die Bergstation wurden neben dem Standort beim Kurhaus auch der Hinter-Weissenstein und die Runde Flühe (zwischen Kurhaus und Hinter-Weissenstein) in Betracht gezogen. Nach Abwägung aller Vor- und Nachteile der verschiedenen Ausgangs- und Endpunkte kristallisierte sich bald die Variante mit der Talstation beim Bahnhof Oberdorf SMB und der Bergstation beim Kurhaus heraus. Für das zu wählende Bahnsystem kamen zwei Arten von Seilbahnen in Frage: Eine Pendel-Luftseilbahn oder eine Sesselbahn, damals auch Sitzlift genannt. Folgende im Seibahnbau tätigen Schweizer Firmen wurden kontaktiert und gebeten, Offerten einzureichen:  
Variante Luftseilbahn mit geradliniger Strecke von der Station Oberdorf SMB zum Kurhaus Weissenstein:
- Von Roll' sche Eisenwerke Giesserei Bern, Offerten vom 16. 5. 1946 resp. 30. 7. 1947 (Kabinen à 40 Pers., 250-280 Pers./h)
- Eisen- und Stahlwerke Oehler AG Aarau, Besprechung im April 1947, bauen nur Kleinseilbahnen mit Kabinen bis max. 8-10 Pers.
- Constructions Mécaniques de Vevey SA, im Jahr 1947 infolge Arbeitsüberlastung nicht in der Lage, eine Offerte zu stellen.

Variante Sesselbahn ab Station Oberdorf SMB - Gartenmatte - Nesselboden - Kurhaus Weissenstein, mit 2 Zwischenstationen und 3 Sektionen:
- Von Roll' sche Eisenwerke Giesserei Bern, Offerte vom 16. 5. 1946 (kuppelbar, 300-400 Pers./h)
- Henri Sameli-Huber, Meilen ZH, Ski- und Sessellifte System Constam, Offerte vom 7. 6. 1947 (fix geklemmt, 150-300 Pers./h)

Variante Sesselbahn ab Station Oberdorf SMB - Vorberg Südrampe - Nesselboden - Kurhaus Weissenstein, mit 1 Zwischenstation und 2 Sektionen:
- Von Roll' sche Eisenwerke Giesserei Bern, Offerten vom 30. 7. 1947 resp. 20. 7. 1949 (kuppelbar, 450 Pers./h)
- Henri Sameli-Huber, Meilen ZH, Ski- und Sessellifte System Constam, Offerte vom 10. 2. 1949 (fix geklemmt, 300 Pers./h)
- Eisen- und Stahlwerke Oehler AG Aarau, Offerte vom 30. 7. 1947 (kuppelbar, 300 Pers./h)

Von allen Varianten versprachen die Vorschläge der Firma Von Roll mit ihrem bei verschiedenen Bergbahnen bewährten kuppelbaren Sesselbahnsystem das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis. Als Streckenführung wählte man die Variante über die Vorberg-Südrampe (mit einer Zwischenstation auf Nesselboden), da diese durch die Besonnung und die sich bietende Aussicht den höchsten Fahrgenuss versprach. Zudem waren für diese Variante die Bau- und Betriebskosten tiefer veranschlagt als für das Projekt mit drei Sektionen. Die berechneten Baukosten setzten sich wie folgt zusammen:
Mechanische und elektrische Ausrüstung: Fr. 695'000.-
Hoch- und Tiefbauten, Stützenfundamente: Fr. 225'000.-
Stromzuführung, Bau- und Durchleitungsrechte, Gründungs- und Projektierungskosten, Bauzinsen, Mobiliar, Diverses: Fr. 80'000.- 
Total: Fr. 1'000'000.-
Das Konzessionsgesuch wurde am 14. Oktober 1949 dem Post- und Eisenbahndepartement eingereicht, und am 11. Januar 1950 wurde dem Initiativkomitee die Konzession für den Bau und Betrieb einer Sesselbahn von Oberdorf auf den Weissenstein erteilt. Danach ging es Schlag auf Schlag: Innert drei Wochen war ein Aktienkapital von Fr. 800'000.- gezeichnet, worauf am 18. März 1950 in Solothurn die Aktiengesellschaft Bergbahn Weissenstein gegründet werden konnte. Mit den Bauarbeiten wurde Mitte Mai begonnen. Trotz mehrheitlich schlechtem Wetter erstellte man die Bahn mit ihren drei Stationsgebäuden in einer Rekordzeit, so dass am 29. Dezember 1950 der fahrplanmässige Betrieb aufgenommen werden konnte. Die endgültigen Baukosten beliefen sich schliesslich auf 1'219'513.- Franken. 

1994, nach über 40 Jahren unfallfreiem Betrieb, wurde an der Sesselbahn ein grösserer Umbau durchgeführt. Um die aktuellen Auflagen des Bundesamtes für Verkehr (BAV) zu erfüllen, wurden folgende Arbeiten durchgeführt: Ersatz der Antriebe mit Motoren, Getriebe, Betriebsbremsen und Hilfsantrieben; Einbau von Beschleunigungs- und Verzögerungseinrichtungen sowie von Umlaufförderern in allen drei Stationen; Ersatz der Steuerung; bauliche Massnahmen im Bereich der Stationen; Ersatz von zahlreichen Stützenrollen; Ausrüstung der Stützen mit Revisionsplattformen und Abhebeböcken; Seilwechsel auf beiden Sektionen. Zudem wurden sämtliche Mastfundamente überprüft und für in Ordnung befunden. Trotz dieser Umbaumassnahmen blieb die charakteristische Bauweise der Sesselbahn weitgehend erhalten, da die typischen Quersitzsessel mit den Kupplungen, alle Stahlbauten und die Gebäude keine oder nur geringfügige Änderungen erfuhren. Auch das für dieses Bahnsystem spezielle und einzigartige Fahrgefühl mit dem unverwechselbaren Klang war immer noch das gleiche wie im Eröffnungsjahr 1950. Aus all diesen Gründen konnte der Sesselbahn Weissenstein stets ein hoher Nostalgiewert zugesprochen werden, gepaart mit einem Sicherheitsniveau, das einem Vergleich mit neuzeitlichen Standards durchaus Stand hielt.
Und aus einem weiteren Grund kam der Weissensteinbahn eine ganz besondere Bedeutung zu: Es war dies die letzte Vertreterin in der Schweiz der einst epochemachenden Sesselbahnbauart Von Roll VR101 (auch die gleichermassen schutzwürdige Sesselbahn Kandersteg-Oeschinen des selben Systems wurde nach einem Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts im Herbst 2008 abgebrochen). Ein Gutachen des Bundesamtes für Denkmalschutz kam zum Schluss, dass es sich bei dieser Bergbahn um ein Technikdenkmal von nationaler Bedeutung handelt und somit unter Schutz gestellt werden sollte.

Trotz allem schmiedete die Betreibergesellschaft hochfliegende Pläne: Gleich mit dem Auslaufen der Betriebsbewilligung 2009 wollte man die historische Sesselbahn abbrechen und durch eine Sechsergondelbahn ersetzen. Man versprach sich von der neuen Bahn höheren Komfort, grössere Frequenzen und erweiterte Einsatzmöglichkeiten wie Nachtfahrten oder erleichterte Beförderung von Behinderten und Hunden. Die wirtschaftlich notwendigen, fast doppelt so hohen Frequenzen wollte man mit zusätzlichen Angeboten wie Sommerrodelbahn und Tubing-Anlage generieren (solche Anlagen hatten sich aber bald im BLN-Gebiet Weissenstein als nicht bewilligungsfähig herausgestellt, womit die Wirtschaftlichkeit einer neuen Gondelbahn ernsthaft in Frage gestellt werden musste).
Gegen die abgehobenen Pläne der Seilbahnbetreiberin formierte sich starker Widerstand. Naturfreunde, Landschaftsschützer und Wanderer wehrten sich gegen einen Massentourismus auf dem Weissenstein, wenig nachhaltige Retortenerlebnisse und massive Eingriffe in die unter Schutz stehende Landschaft (BLN-Gebiet), verursacht durch die voluminösen, jede Massstäblichkeit sprengenden Neubauten der Seilbahn und weitere Zusatzinstallationen. Zudem wiesen Denkmalschützer sowie Seilbahn- und Technikfreunde auf die historische Bedeutung und die Einzigartigkeit der bestehenden Sesselbahn hin, die in ihren Augen eine unvergessliche Fahrt vermittelt und damit ein überaus wichtiger Teil des Gesamterlebnisses Weissenstein bildete. Freunde eines naturnahen Weissensteins und der Nostalgie-Sesselbahn hatten sich Anfang 2008 daher im Verein Pro Sesseli zusammen geschlossen und versuchten gemeinsam mit dem Schweizer Heimatschutz SHS durch Öffentlichkeitsarbeit und gezielten Aktivitäten den Weissenstein und seine Bahn in der damaligen Form zu erhalten. Das Bundesamt für Kultur BAK nahm die Weissenstein-Sesselbahn zudem in ihr neu geschaffenes Inventar der schützenswerten Seilbahnen der Schweiz auf.

Link: Die Sesselbahn Oberdorf - Weissenstein im schweizerischen Seilbahninventar des Bundesamtes für Kultur BAK

Damit begann ein über fast vier Jahre dauernder Rechtsstreit unter Beteiligung des Schweizer Heimatschutzes SHS, der SWAG als Bahnbetreiberin, den beiden eidgenössischen Fachkommissionen für Natur- und Heimatschutz und der Kommission für Denkmalschutz. Aufgrund gewisser Unzulänglichkeiten am Neubauprojekt wurde dieses 2010 "optimiert", worauf das BAV im Januar 2012 schliesslich grünes Licht für den Abbruch der Sesselbahn und für den Neubau der Sechsergondelbahn gab. Gegen diese Verfügung reichte der Heimatschutz Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein, die am 27. Mai 2013 aber vollumfänglich abgewiesen wurde. Nach einer sorgfältigen Analyse des Urteils verzichtete der Heimatschutz jedoch auf einen Weiterzug des Falls vor das Bundesgericht. Somit war das Schicksal der letzten historischen Von Roll-Quersitzsesselbahn der Schweiz besiegelt.

Mit dem Abbruch der alten Weissensteinbahn im Herbst 2013 geht ein markantes Stück schweizerische Verkehrs-, Tourismus- und Industriegeschichte unwiederbringlich verloren! Der Weissenstein verliert eine seiner Hauptattraktionen und die Gäste bei ihrem Besuch einen wichtigen Bestandteil ihres Gesamterlebnisses! Kein anderes Bahnsystem kann eine gleichermassen genussreiche und alle Sinne anregende Fahrt bieten. Und keine andere Bahn fügt sich derart perfekt in die sensible Landschaft ein wie die Von Roll-Bahn mit ihren zierlichen Fachwerkstützen und den Holzstationen, die sich in ihrer Massstäblichkeit der Umgebung unterordnen.
Problematisch am ganzen Fall ist, dass der historische, touristische und auch der ästhetische Wert der alten Sesselbahn weder vom Bahnbetreiber noch in Touristikerkreisen und auch nicht in weiten Teilen der Bevölkerung erkannt wurde. Statt Einzigartigkeit, Authentizität, Identität und Entschleunigung zu pflegen, setzt man auf die Uniformität einer Gondelbahn ohne Stil, wie sie hundertfach in den Alpen anzutreffen ist. Die historische Sesselbahn wäre eine unverwechselbare Sehenswürdigkeit von nationaler Ausstrahlung gewesen, vergleichbar mit den Raddampfern auf den Schweizer Seen, einer Brienzer Rothorn Bahn oder der Dampfbahn Furka Bergstrecke! Und da der Weissenstein in erster Linie ein Schönwetter-Ausflugsberg ist, dürfte die vielgepriesene Schlechtwettertauglichkeit einer Gondelbahn überbewertet sein.
Obwohl auch die gesetzgebende Behörde mit einem aufgeblasenen Regelwerk, das keine Rücksicht auf bestehende Anlagen nimmt, massgeblich für den Verlust dieses wichtigen Technikdenkmals mitverantwortlich ist, wäre der Erhalt der Sesselbahn in erster Linie eine Frage des Willens und weniger eine des Könnens gewesen, wobei die Fragen nach der tatsächlichen Sicherheit und den technischen Möglichkeiten nun für immer unbeantwortet bleiben. So gesehen schmerzt der Verlust dieser letzten VR101-Quersitzsesselbahn ganz besonders und es ist äusserst bedauerlich, dass der Fall nicht doch noch an das Bundesgericht weiter gezogen wurde, foutierte sich das Bundesverwaltungsgericht doch um die klaren Stellungnahmen der Kultur-Fachinstanzen des Bundes!

Auf der Website des Vereins Pro Sesseli werden aufschlussreiche Dokumente publiziert, die rückblickend und zusammenfassend das äusserst fragwürdige und eines Rechtsstaaates unwürdigen Verfahrens um den Erhalt der historischen Sesselbahn aufzeigt!


Technische Daten der Sesselbahn Oberdorf-Weissenstein:


Erbaut durch Von Roll, Werk Bern
Inbetriebnahme 29. Dez. 1950
Ausserbetriebsetzung 1. Nov. 2009
Abbruch Herbst 2013
Länge der schrägen Fahrbahn 1. Sektion: 1622 m, 2. Sektion: 747 m
Höhenlage Talstation Oberdorf 661 m. ü. M.
Höhenlage Mittelstation Nesselboden 1064 m. ü. M.
Höhenlage Bergstation Weissenstein 1280 m. ü. M.
Höhendifferenz zwischen Tal- und Bergstation 1. Sektion: 403 m, 2. Sektion: 216 m
Grösste Sehnenneigung 1. Sektion: 64,5 %, 2. Sektion: 60,5 %
Anzahl Zwischenstützen (Zwei- und Dreifachstützen als je eine gezählt) 1. Sektion: 19, 2. Sektion: 9
Stützenhöhen kleinste: 6 m, grösste: 12 m
Grösste Spannweite 1. Sektion: 159 m, 2. Sektion: 126 m
Durchmesser Förderseil 1.+ 2. Sektion: 25 mm
Anzahl Doppelsessel 120
Eigengewicht eines Sessels 120 kg
Fahrgeschwindigkeit normal: 2,7 m/Sek., min. (Revision): 1,4 m/Sek.
Fahrzeit
16 Min. (ganze Strecke)
Förderleistung Sektion 1 + 2: 450 Pers./h

Bilder aus den letzten Betriebsjahren:

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Abb.1+2: Die Talstation in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof Oberdorf steht auf einem Gelände, das seinerzeit mit Ausbruchmaterial des Weissensteintunnels aufgeschüttet wurde. Um ungleichmässige Setzungen zu vermeiden, ruht die Station auf Fundamenten, die bis zu fünf Meter tief in gewachsenen Boden reichen. Die Station wurde ca. drei Meter über Terrain erstellt, um eine genügende Ausfahrhöhe zu erreichen. Die Unterkonstruktion besteht zur Hauptsache aus Bruchsteinmauerwerk und bei besonders beanspruchten Stellen aus Eisenbeton, während der Oberbau möglichst leicht in klassischer Holzkonstruktion gehalten wurde. Abb.3: Ansicht der mechanischen Ausrüstung in der Talstation. Abb.4+5: Die Umlenkstation mit den drei grossen Rädern funktioniert als Spannvorrichtung für die erste Sektion. Das in die Station einlaufende Seiltrum wird über eine erste Seilscheibe senkrecht in den 8,2 Meter tiefen Spannschacht und dort um die Umlenkscheibe des frei hängenden Spanngewichts von 6,5 Tonnen geführt (Abb.5). Anschliessend läuft das Seil wieder senkrecht nach oben, über eine weitere Seilscheibe mit 90° Ablenkung in die Horizontale und schliesslich nach einer letzten 180°-Umlenkscheibe wieder in Richtung Ausfahrt. Abb.6: Abfahrbereite Sessel in der Talstation. Abb.7: Nicht verwendete Sessel werden im Sesselmagazin untergebracht. Die Abstellgleise sind durch gewichtsbalancierte Klappweichen mit der Stationsschiene verbunden. Abb.8: Blick aus der Talstation auf die Strecke und die Eisenbahn-Überführung.

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Abb.9-12: Nach der Stationsausfahrt schweben die Sessel über den grossen Park- und Bahnhofplatz. Abb.13: Blick vom Bahnhofplatz auf die Spezialstütze der Eisenbahnüberführung und die Strecke der Sesselbahn. Abb.14: Eine spezielle Situation entsteht durch die Kreuzung von drei unterschiedlichen Verkehrsträgern: Zuoberst die Seilbahn mit der zur Stütze kombinierten Schutzbrücke, darunter die Eisenbahn und ganz unten die Strasse. Abb.15: Die Schutzbrücke mit Tragmast von der Gleisseite gesehen. Grosse Sorgfalt verlangte die Ausführung der Fundamente der Eisenkonstruktion, mussten doch die unterschiedlichen Festigkeiten der Bahndammaufschüttung und die Erschütterungen der vorbei fahrenden Züge berücksichtigt werden.

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Abb.16: Gleich nach dem Überqueren der Eisenbahnlinie steigt die Sesselbahn, eingebettet zwischen Bäumen, am Hang des Vorberges empor. Abb.17: Aufgrund der stellenweise vorkommenden Querneigung des Hanges weisen die Rollenbatterien einzelner Stützen unterschiedliche Höhen auf. Damit wird erreicht, dass die vorgeschriebene Höhe der Fahrbahn über Boden für die Berg- wie auch für die Talspur eingehalten wird. Abb.18-21: Ansicht der Strecke am sonnigen Vorberg. Im oberen Teil ist das Gelände mit Fels durchsetzt. Abb.22-24: Die Kuppe des Vorberges ist erreicht. Nach dem Passieren einer imposanten Dreifachstütze und einem weiteren Einzelmast wechselt die Linienführung überraschend in ein Gegengefälle. 

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Abb.25: Nach der Kuppe des Vorberges gleiten die Sessel erst ein Stück talwärts und wechseln kurz darauf wieder in eine Steigung, um die Mittelstation Nesselboden zu erreichen. Abb.26: Einfahrt zur Mittelstation Nesselboden auf 1064 Meter über Meer. Als Einfahrstütze kommt auch hier wieder ein imposanter Dreifachmast zum Zug. Abb.27: Dreifachstütze zur Einfahrt in die Station Nesselboden mit Blick in Richtung Vorberg. Deutlich ist das Gegengefälle auf diesem Streckenabschnitt auszumachen. Abb 28: Einfahrender Sessel in die Station Nesselboden. Das Schild rechts gibt folgenden Hinweis: "Reisende nach Weissenstein sitzen bleiben". Abb.29: Ausblick aus der Mittelstation auf die Einfahrstütze und einen herannahenden Sessel. Im Hintergrund sind die Masten auf der Kuppe des Vorberges auszumachen. Abb.30: Idyllisch gelegene Mittelstation auf Nesselboden. Durch diese Zwischenstation, in der auch aus- und zugestiegen werden kann, wird die Bahnstrecke in einem Winkel von etwa 120° abgelenkt.  

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Abb.31: Antriebseinheit der ersten Sektion. Unter der Tragkonstruktion sind der Antriebsmotor, die Betriebsbremse und das Getriebe untergebracht. Vor dem Antriebsmotor befindet sich die Hydraulikeinheit, die der Steuerung der Bremsen und des Notantriebes dient. Abb.32: In der Bahnhalle der Mittelstation. Hier treffen die beiden Sektionen aufeinander, die im Bedarfsfall unabhängig voneinander betrieben werden können. Verbunden sind sie durch Schienen, auf denen die Sessel nach der Einfahrt und dem Abkuppeln vom Seil zur Startstelle der nächsten Sektion weiter rollen. Auf den Verbindungsschienen werden die Sessel heute von Kettenförderern erfasst und automatisch vorwärts bewegt. Früher musste diese Arbeit durch das Stationspersonal von Hand verrichtet werden. Durch die beiden Antriebseinheiten und die Anordnung der Verbindungsgleise mit den Weichen wurde ein grosser stützenfreier Raum für die Bahnhalle notwendig. Für die Überdeckung dieses Raums kamen daher mehrfach verleimte Hetzerbinder von 16 Metern Spannweite zur Anwendung. Am linken Bildrand sind der Kommandoraum und darüber die Hetzerbinder der Dachkonstruktion zu sehen. Abb.33: Antriebseinheit der zweiten Sektion und ein startender Sessel in Richtung Weissenstein. Früher kamen für die Beschleunigung der Sessel die klassischen Rampen mit Gefälle zur Anwendung. Diese sind zwar heute noch vorhanden, wurden aber nachträglich mit Pneuradbeschleunigern nachgerüstet. Damit wird gewährleistet, dass die Sessel nach der Startfreigabe nicht sich selbst überlassen sind und bis zur Kuppelstelle exakt die Seilgeschwindigkeit erreichen. Abb.34+35: Blick aus der Station Nesselboden auf den nachfolgenden steilen Streckenabschnitt der zweiten Sektion. Abb.36: Stationsausfahrt der Mittelstation gegen die zweite Sektion. Durch das Gefälle der Startrampe liegt die Führungsschiene auf der Ausfahrseite tiefer als auf der Einfahrseite. Abb.37+38: Nach der Stationsausfahrt steigt die Strecke steil an, führt über einen Einfach- und kurz darauf über einen Doppelmast.

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Abb.39: Niederhaltemast auf der zweiten Sektion. Abb.40: Auf der Bergfahrt mit Blick zurück in Richtung Zwischenstation Nesselboden. Abb.41: Auf Talfahrt auf der oberen Sektion. Unten im Tal glänzt die Aare, während im Süden ist die Alpenkette zu erkennen ist. Abb.42: Bergfahrt. Gemütliches Dahinschweben durch die Natur auf dem offenen Sessel, was alle Sinne angeregt! Abb.43: Hinter diesem Mast taucht das Ziel unserer Fahrt auf. Der Weissenstein ist in wenigen Minuten bezwungen. Abb.44: Für den letzten Streckenabschnitt werden die bewaldeten Hänge zurückgelassen und man schwebt über sanfte, grüne Weiden. Blick gegen das Mittelland. Abb.45+46: Die Sesselbahn mit dem historischen Kurhaus Weissenstein.

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Abb.47: Der letzte Streckenabschnitt bietet die wohl atemberaubensten Ausblicke! Das ganze Schweizer Mittelland und eine Alpenkette vom Säntis bis zum Mont Blanc breiten sich aus. Nur auf dem offenen Sessel wird dieser Genuss erst perfekt! Keine zerkratzten und trüben Plexiglasscheiben und keine Fensterstege einer geschlossenen Gondel behindern die Sicht! Links vom Sessel ist das Berner Oberländer Dreigestirn Eiger Mönch und Jungfrau zu erkennen. Abb.48: Mit welcher Formvollendung und Ästhetik früher Stützen konstruiert wurden, zeigt dieses Bild auf eindrückliche Weise. Abb.49-52: Kurz vor der Bergstation Weissenstein. Als Kuppengerüst kommt hier ein Doppelmast zur Anwendung. Abb.53: Einfahrt in die Bergstation. Die Stationen von Sesselbahnen der Bauart Von Roll waren sehr oft mit Flügeltüren ausgestattet, die während längeren Betriebspausen geschlossen werden konnten.  

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Abb.54: Nochmals die doppelte Einfahrstütze vor der Bergstation mit einem herannahenden Sessel, der gleich in die Station einfahren wird. Abb.55: Die Bergstation mit einem einfahrenden Sessel. Bei Umlaufbahnen mit kuppelbaren Klemmen verlangten die Bauvorschriften früher einen kurzen ansteigenden Streckenabschnitt nach der Stationsausfahrt in Richtung Tal, bevor die Fahrzeuge ins Gefälle übergehen. Der Ankuppelvorgang während der Ausfahrt wird von Kontrolleinrichtungen überwacht, die im Fall einer Fehlkupplung die Bahn abstellen. Ein ungenügend gekuppelter Sessel, der von der Ausfahrüberwachung nicht zurückgehalten wurde und infolge des Bremsweges nach einem Nothaltbefehl die Station bereits verlassen hat, würde durch die folgende Steigung nicht talwärts durchbrennen, sondern in Richtung Station zurück rutschen. Abb.56: Blick ins Innere der Bergstation. Im Gegensatz zur Talstation finden wir hier eine Spannstation der normalen Bauart, wie sie bei Von Roll-Bahnen meistens zur Anwendung kam. Das gelbe Umlenkrad ist auf einem in der Längsachse beweglichen Schlitten gelagert, der durch ein Spanngewicht von 10 Tonnen belastet ist. Verzögert und beschleunigt werden die Sessel auch hier mittels Pneuradförderern, und für das Fortbewegen auf dem Stationsgleis dient ein Kettenzug. Abb.57: Das schmucke Gebäude der Bergstation steht an der Stelle des ehemaligen Eiskellers, dem "Kühlschrank" des Kurhauses. Der alte Eisschacht musste zuerst ausgeräumt und teilweise abgebrochen werden um Platz zu schaffen für die Verankerungsfundamente der Spannstation. Abb.58: Die legendäre, doppelt wirkende Von Roll-Sesselbahnklemme, nach ihrem Erfinder auch Zuberbühler-Klemme genannt. Rechts im Gehäuse sehen wir die kräftige Druckfeder die auf die federseitige Klemmbacke drückt, während die gehängeseitige Klemmbacke über eine Hebelübersetzung wirkend das angehängte Gewicht des Sessels ausnützt. Bei einem Bruch der Feder bleibt das Zusammenspiel der Klemmkräfte durch das Sesselgewicht und die Hebelübersetzung aufrecht erhalten, so dass ein Abrutschen der Klemme auch in diesem äusserst unwahrscheinlichen Fall nicht zu befürchten ist. Aussen am Gehäuse über der Druckfeder befindet sich der senkrecht stehende Arretierhebel, der die Klemmbacken in der gekuppelten Stellung festhält. Abb.59: Eine Flugaufnahme mit Blick nach Süden. Am Horizont die Berner Alpen, im Vordergrund das Kurhaus Weissenstein und rechts daneben eingebettet zwischen Bäumen die Bergstation der Sesselbahn.

Bilder aus vergangenen Zeiten:

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Abb.60: Projektskizze für die Talstation Oberdorf des Architekturbüros Hüsler aus Solothurn. Quer zum Haupttrakt befindet sich das Sesselmagazin. Vergleiche auch mit Bild Nr. 2. Abb.61: Die Talstation in den Anfangsjahren der Bahn. Auffallend: Kein einziges Auto ist auf dem Parkplatz auszumachen! Früher reisten die meisten Sesselbahnbenutzer halt noch per Bahn an. Abb.62: Die Talstation in den Siebzigerjahren. Eben verässt eine Zweierkabine der Bauart Gangloff die Station. Solche Gondeln, in denen man ebenfalls quer zur Fahrrichtung nebeneinander sass, waren in geringer Anzahl lediglich versuchsweise im Einsatz. Abb.63+64: Blick vom Vorberg in Richtung Zwischenstation Nesselboden. Die Bewaldung in der Umgebung der Station hat in der Zwischenzeit stark zugenommen! Abb.65: Eine gelbe Gangloff-Gondel hat die Station Nesselboden verlassen und strebt nun der Talstation Oberdorf zu.  

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Abb.66: Die Mittelstation auf Nesselboden in der Anfangszeit der Bahn. Das Gebäude wirkt noch sehr neu. Abb.67: Dieses stimmungsvolle Bild einer Postkarte zeigt die faszinierende Symbiose zwischen Natur und Technik. Abb.68: Nochmals eine alte Postkarte, diesmal mit der klassischen Ansicht der Sesselbahn vor dem Kurhaus Weissenstein. Damals hatten die Masten noch keine Seilabhebejoche und noch keine Revisionsplattformen. Abb.69: Dekoratives Plakat der Bergbahn Weissenstein aus den Fünfzigerjahren.

Bildnachweis: Abb. 1 - 58: C. Gentil, Samedan; Abb. 5: A. Jacomet, Bern; Abb. 62, 65: Sammlung J. Schuler, Orpund; Abb. 59, 60, 63, 64, 67, 68, 69: Sammlung C. Gentil.

Video: Kommen Sie mit auf eine Rundfahrt mit der Sesselbahn Oberdorf-Weissenstein!  (15 Min, MPEG-4, 350 Mb)


Buchempfehlung zum Thema:  Die Sesselbahn am Weissenstein (Buch inkl. DVD) 


Erinnerungen und Impressionen vom Oktober 2009, dem letzten Betriebsmonat dieser einzigartigen Sesselbahn:


              

                   

                             

                 

                     

                                 

                     

            

alle Fotos: C. Gentil

Das genussreiche Schweben auf der historischen Von Roll-Sesselbahn an frischer Luft durch intakte Natur ist am Weissenstein leider definitv Geschichte!
Ohne dieses Technikdenkmal von nationaler Ausstrahlung dürfte der Solothurner Hausberg langfristig an Bedeutung für den Tourismus verlieren und zu einem Naherholungsgebiet mit rein regionalem Charakter verkommen. Kurzfristige, nicht nachhaltige Überlegungen seitens des Bahnbetreibers führten dazu, dass die Schweiz nun um ein bedeutendes kulturelles Erbe und der Weissenstein um seine touristische Hauptattraktion ärmer ist! Fotos und Videos können die wirklichen Ausmasse des Verlustes leider nur ansatzweise dokumentieren!

 
           


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