Die Predigtstuhlbahn in Bad Reichenhall, D

 

Älteste, im Original erhaltene Personenluftseilbahn der Welt!

Bei der Predigtstuhlbahn von Bad Reichenhall (Oberbayern, Deutschland) handelt es sich um die älteste, original erhaltene Grosskabinen-Luftseilbahn für öffentlichen Personenverkehr der Welt! Seit ihrer Inbetriebnahme am 1. Juli 1928 wurde die Bahn nie umgebaut oder modernisiert, so dass sie sich auch heute noch nach 75 unfallfreien Betriebsjahren weitestgehend in ihrem Ursprungszustand befindet! Ermöglicht hat diese Meisterleistung an Dauerhaftigkeit die traditionelle, ehemals grösste und bedeutenste Seilbahnfirma der Welt, Adolf Bleichert aus Leipzig/Gohlis.

Charakteristisch für die Predigtstuhlbahn sind zweifellos die drei markanten Stützen aus armiertem Stahlbeton und die originalen, zwölfeckigen Bleichert-Kabinen. Während das Erscheinungsbild der Stützen die Sicherheit und Stabilität der Konstruktion verdeutlichen und die kühne Ästhetik der Seillinie unterstreichen soll, stellen die Kabinen die eigentliche Visitenkarte der Bergbahn dar. Hatten Seilbahnkabinen bisher ihre Konstruktionsmerkmale weitgehend von Eisenbahnfahrzeugen und daher auch deren waggonartige Gestalt übernommen, verliess nun Bleichert beim Entwurf der Kabinen für die Predigtstuhlbahn das traditionelle Muster und konstruierte eine Gondelart in Leichtbauweise nach den neuesten technischen und gestalterischen Erkenntnissen. Herausgekommen sind eigentliche Panoramakabinen mit einem zwölfeckigen Grundriss und allseitigen Fensteröffnungen, die den Fahrgästen einen bisher nicht gekannten Ausblick ermöglichen. Da die Kabinenkonstruktion aus Anticorodal-Blechen nicht selbsttragend ist, übernimmt ein zentraler Stahlpfeiler im Innern der Gondel die Überleitung der Kräfte zum Gehänge. Ein Schwingungsdämpfer, der den Wagenkasten mit dem Gegenseil verbindet, reduziert die Längs-Pendelbewegungen, die bei Stützenüberfahrten entstehen. Die Laufwerke mit den acht Laufrollen sind mit Tragseilbremsen nach dem System Bleichert-Zuegg ausgerüstet.

Diese Bauart der Fahrzeuge hatte sich offenbar bewährt. So wurden auch bei nachfolgenden Bleichert-Luftseilbahnen derartige Kabinen eingesetzt, so zB. bei der 1929 eröffneten Wankbahn in Garmisch, bei der Zugspitz-Gipfelbahn von 1931, bei der Pendelbahn Montserrat-Monistrol in Spanien (1930) oder bei der Galzigbahn in St.Anton (1937). Auch an die Säntisbahn von 1935 wurden Fahrzeuge in Bleichert-Konstruktion geliefert; allerdings wurden diese nicht durch Bleichert selbst, sondern durch die SIG in Neuhausen gefertigt.

Montserrat Säntis

Links: Kabine für 35 Personen der Luftseilbahn Montserrat- Monistrol (Spanien) von 1930 in der Bergstation. Foto: Bernhard Willen. Rechts: 35er-Kabine Bauart Bleichert der Säntisbahn, erbaut durch SIG Neuhausen.

Erwähnenswert ist, dass die Gondeln der Predigtstuhlbahn immer noch auf den ersten Tragseilen aus dem Jahre 1928 rollen! Die verschlossenen, drallfreien Spiralseile mit einem Durchmesser von 50 mm der Westfälischen Drahtindustrie Hamm (WDI) weisen auch nach 75 Betriebsjahren kaum Beschädigungen auf (im Jahre 2002 wurden bei magnetinduktiven Prüfungen lediglich drei einzelne Drahtbrüche festgestellt!), so dass noch lange nicht von Ablegereife gesprochen werden kann. Um die im Auflagebereich der Stützen stärker beanspruchten Seilstellen zu entlasten, müssen die Tragseile in regelmässigen Abständen versetzt werden, was auch eine zwangsweise Kürzung der Seile mit sich bringt. Die Längenreserve in der Bergstation reicht aber noch für weitere drei Jahrzehnte, so dass die Seile ein Alter von bis zu 110 Jahren erreichen dürften! Das Zug- und das Gegenseil unterliegen infolge ihrer ständigen Bewegung grösserer Abnützung. Das aktuelle Zugseil stammt aus dem Jahre 1983 und ein neues Gegenseil wurde letztmals im Jahre 1965 eingezogen.

Technische Daten:

 Inbetriebnahme  01. 07. 1928
 Erbaut durch  Adolf Bleichert, Leipzig
 System  Bleichert-Zuegg
 Fahrbahnlänge  2380 m
 Höhe Talstation  474 m.ü.M.
 Höhe Bergstation  1614 m.ü.M.
 Höhendifferenz  1140 m
 Anzahl Stützen, Höhe  3, I: 22 m, II: 32 m, III: 9 m
 Grösste Spannweite  990 m, zwischen Stütze I u. II
 Tragseile Je 1 pro Fahrbahn / ø 50 mm, aufgelegt 1928 !
 Tragseilbruchlast  262 t
 ø Zugseil  25,5 mm, aufgelegt 1983
 Zugseilbruchlast  40,5 t
 ø Gegenseil  23 mm, aufgelegt 1965
 ø Hilfsseil  17 mm, aufgelegt 1959
 Lieferant der Seile  WDI Westfälische Drahtindustrie Hamm
 Kabinen  2 à 25 Pers.
 Fahrgeschwindigkeit normal: 5,0 m/sec., max. 6,6 m/sec.
 Fahrzeit  8,5 Min.
 Förderleistung  150 Pers./h
 Antriebsmotor  Garbe-Lahmeyer Gleichstrom-Motor, ca. 100 kW
 Speisung  Ward-Leonard
 Steuerung  manuell durch Maschinisten

Predigtstuhl 1 1 Predigtstuhl 2 2 Predigtstuhl 3 3 Predigtstuhl 4 4 Predigtstuhl 5 5 Predigtstuhl 6 6 Predigtstuhl 7 7

Abb.1: Die Talstation der Predigtstuhlbahn von der Eingangsseite. Abb.2+3: Kabine in der Talstation. Typisch für Luftseilbahnen aus der Frühzeit sind die treppenförmigen Bahnsteige, wie sie auch bei Standseilbahnen üblich sind. Auf Bild 3 ist im Innern der Gondel der zentrale Pfeiler zu erkennen, welcher der ganzen Konstruktion die nötige Festigkeit gibt. Abb.4: Kabinenlaufwerk und Gehänge. Der Dämpfer ist oben nicht direkt am Laufwerk selbst, sondern am Gegenseil befestigt. Abb.5-7: Ausfahrende Kabine aus der Talstation.

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Abb.8: Aus dieser Perspektive wird der 12-eckige Kabinengrundriss ersichtlich. Abb.9: Von der Talstation kann die gesamte Strecke bis zum Gipfel überblickt werden. Abb.10: Eine Kabine nähert sich der Stütze I. Abb.11: Begegnung mit der talwärtsfahrenden Gondel. Hier wird auch deutlich, wie steil und zerklüftet das Gelände unter der Fahrbahn ist. Abb.12+13: Die Stützten II und III. Um Platz für die nur 9 Meter hohe Stütze III (Bild 13) zu schaffen, mussten gegen 4000 Kubikmeter Fels weggesprengt werden. Abb.14+15: Die Kabine kurz vor der Bergstation.

Predigtstuhl 16 16 Predigtstuhl 17 17 Predigtstuhl 18 18 Predigtstuhl 19 19 Predigtstuhl 20 20 Laufwerk 21

Abb.16: Gleichzeitig mit dem Bau der Seilbahn wurde auch ein grosszügiges Berghotel mit 31 Zimmern der Güteklasse I auf dem Predigtstuhl errichtet. Für Tagestouristen gab es ein Restaurant, während die Hotelgäste in einem eigenen Salon dinieren konnten. Abb.17: Kabine in der Bergstation. Im Gegensatz zur Talstation sind hier die Bahnsteige eben ausgeführt. Abb.18: Nostalgie auch hier: Das Schalttableau im Innern der Kabine mit dem Diensttelefon. Für die Kommunikation zwischen den Kabinenbegleitern und dem Maschinisten in der Bergstation kommen heutzutage jedoch Handfunkgeräte zum Einsatz. Abb.19: Stütze I mit Kabine in den ersten Betriebsjahren der Bahn mit Blick auf Bad Reichenhall. Abb.20: Für die Ewigkeit geschaffen: Die mächtige Stütze II, mit 32 Metern die höchste der Bahn. Abb.21: Skizze eins Laufwerkes mit der Tragseil-Fangbremse, Bauart Bleichert-Zuegg.

Fotos:1 - 18: C. Gentil, 19 - 21: Sammlung C. Gentil.

Weitere Infos zur Predigtstuhlbahn: www.predigtstuhl-bahn.de


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